Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene werden aufgrund einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mit Methylphenidat oder Amphetamin behandelt. Beide Stimulanzien stehen im Verdacht, bei zuvor gesunden Personen Psychosen zu induzieren. Ob das Risiko hierfür von der Art des eingesetzten Wirkstoffs abhängt, haben nun US-Wissenschaftler untersucht.

Die Veränderungen von Neurotransmitterkonzentrationen bei Patienten mit einer idiopathischen Psychose ähneln den durch Amphetamin hervorgerufenen Veränderungen, berichten die Bostoner Forscher. Ihre Hypothese lautet dementsprechend: Unter Amphetamin steigt das Psychoserisiko stärker als unter Methylphenidat. Mithilfe administrativer Datenbanken werteten die Forscher Informationen von mehr als 337 000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 13 und 25 Jahren aus, die zwischen 2004 und 2015 aufgrund einer ADHS erstmals auf Methylphenidat oder Amphetamin eingestellt worden waren. Als primären Studienendpunkt definierten sie die Erstdiagnose einer medikamentös behandlungsbedürftigen Psychose (Verschreibung von Antipsychotika innerhalb von 60 Tagen nach Diagnosestellung). Die hier eingeschlossenen Krankheitsbilder umfassten unter anderem schizophrene, halluzinatorische sowie depressiv- bzw. bipolar-psychotische Störungen. Personen mit vorbekannten psychiatrischen Erkrankungen oder Psychopharmakaeinnahme gingen nicht in die Analyse ein. Mittels Propensity Score Matching ordneten die Forscher jedem der mit Methylphenidat behandelten Patienten einen mit Amphetamin behandelten Patienten zu und verglichen die Psychoseinzidenz in diesen beiden Medikationsgruppen.

Ergebnisse

Das Studienkollektiv umfasste 221 846 ADHS-Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von 143 286 Personenjahren. Mittels Propensity Score Matching wurden 110 923 Patienten beider Medikationen einander zugeordnet. In der gesamten Studienpopulation traten 343 Psychosefälle auf (2,4 pro 1000 Personenjahre): 106 Episoden in der Methylphenidat- (0,1% bzw. 1,78 pro 1000 Personenjahre) und 237 (0,21% bzw. 2,83 pro 1000 Personenjahre) in der Amphetamin-Gruppe. Für Amphetamin errechnete sich gegenüber Methylphenidat eine Risikozunahme um 65% (Hazard Ratio 1,65; 95%-KI 1,31 – 2,09). Die Post-hoc-Analyse ergab: Bei von Hausärzten bzw. Internisten oder Pädiatern behandelten Patienten, nicht jedoch bei von Psychiatern behandelten Patienten ging die Amphetamin-Medikation im Vergleich zu Methylphenidat mit einem höheren Psychoserisiko einher.

Fazit:

Die Wissenschaftler schlussfolgern: Etwa 1 von 660 Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die aufgrund einer ADHS Stimulanzien einnehmen, entwickelt im Verlauf eine Psychose. Patienten, die auf Amphetamin eingestellt werden, haben diesbezüglich ein etwa doppelt so hohes Risiko wie Patienten, die Methylphenidat erhalten.

Quelle:

ADHS: Psychoserisiko nimmt unter Stimulanzien zu. Pädiatrie up2date 2019; 14(02): 95 – 95. doi:10.1055/a-0918-0362

Autorin Studienreferat: Dr. med. Judith Lorenz, Künzell