Psychische Störungen: Manifestationsalter hängt von der konkreten Diagnose ab

Gezielte Präventionsmaßnahmen und frühzeitiges Eingreifen noch vor dem Ausbruch psychischer Störungen können die Behandlungsergebnisse gravierend verbessern. Da aber die Spannbreite und das durchschnittliche Erkrankungsalter der meisten psychischen Störungen bis heute unklar sind, haben Solmi et al. eine großangelegte Metaanalyse zahlreicher epidemiologischer Studien zum Thema initiiert.

Detaillierte Kenntnisse über spezifische Risikofaktoren und den Altersgipfel erleichtern im Bereich psychischer Störungen die nachhaltige Prävention und eine bestmögliche Früherkennung. Da das genaue Manifestationsalter vieler psychiatrischer Diagnosen in vielen Fällen bis heute unklar ist, haben Solmi und sein Forschungsteam eine großangelegte Metaanalyse von insgesamt 192 epidemiologischen Studien zum Thema vorgelegt. Dabei wollten sie nicht nur für alle psychischen Störungen und einzelne Diagnosegruppen das jeweilige Durchschnittsalter der Manifestation schätzen, sondern darüber hinaus eine konkrete Altersspanne benennen können.

Die Grundlage ihrer Arbeit bildete eine systematische Literaturrecherche in den internationalen Datenbanken PubMed und Web of Science nach Geburtskohorten-, Querschnitts- und Kohortenstudien, die von Beginn der Datenbanken bis zum 16.05.2020 publiziert wurden. Inhaltlich sollten geeignete Publikationen konkrete Angaben zum Ausbruchsalter für alle psychischen Störungen nach den gängigen Klassifikationssystemen enthalten und eine für die Allgemeinbevölkerung gewisse Repräsentativität darstellen.

Auf methodischer Ebene griffen sie dazu u.a. auf die PRISMA- und MOOSE-Statements mit Leitlinien zur Durchführung und Veröffentlichung entsprechender Metaanalysen zurück. Neben dem durchschnittlichen Erkrankungsalter für alle psychischen Störungen und die einzelnen Diagnosegruppen definierten sie den Anteil der Personen mit Ausbruch einer psychischen Erkrankung vor dem 14., 18. oder 25. Lebensjahr, sowie das jeweilige höchste Ausbruchsalter für alle ICD-Diagnoseblöcke als sekundäre Endpunkte.

Früher Start bei ADHS

Insgesamt erfüllten 192 Studien mit 708561 Personen die Einschlusskriterien und konnten im Rahmen der finalen Auswertung berücksichtigt werden. 34,6%, 48,4% bzw. 62,5% entwickelten vor dem 14., 18. bzw. 25. Lebensjahr eine psychische Störung. Der Altersgipfel lag insgesamt bei 14,5 Jahren mit einem Median von 18 Jahren und einem Interquartilabstand zwischen 11 und 34 Jahren.

Diese Zahlen variierten in Abhängigkeit der betrachteten Diagnosen bzw. Diagnoseblöcke. So zeigten Phobien, Trennungsängste, Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einen Altersgipfel zwischen 8 und 13 Jahren, während sich Anorexie, Bulimie, Zwangsstörungen, Essanfälle und Cannabiskonsumstörungen erst etwas später im Alter zwischen 17 und 22 Jahren manifestierten.

Mit Fokus auf Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, Panikstörungen und Alkoholkonsumstörungen stellte das Forschungsteam ein Erkrankungsalter zwischen 25 und 27 Jahren fest. Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, generalisierte Angststörungen und akute vorübergehende psychotische Störungen entwickelten sich dagegen erst relativ spät im durchschnittlichen Alter von 30 bis 35 Jahren.

In ihren Schlussfolgerungen betont die Arbeitsgruppe nicht nur das teilweise sehr frühe durchschnittliche Erkrankungsalter, sondern darüber hinaus auch die deutlichen Unterschiede zwischen den Diagnosegruppen. Entsprechende spezifische Altersgipfel sollten folglich im Rahmen der Ausrichtung von Präventionsmaßnahmen und zur gezielten Früherkennung in Zukunft noch stärker beachtet werden.

Fazit:

In dieser Metaanalyse der Daten von über 190 epidemiologischen Studien über das Manifestationsalter der häufigsten psychischen Störung zeigte sich für alle Krankheitsbilder ein Durchschnitt von 14,5 Jahren. Unter Betrachtung einzelner Diagnosen ergaben sich große Unterschiede im jeweiligen krankheitsspezifische Altersgipfel, was bei der Abstimmung von Präventionsmaßnahmen unbedingt beachtet werden sollte.

Quelle:

Simon A. Psychische Störungen: Manifestationsalter hängt von der konkreten Diagnose ab. PSYCH up2date 2025; 19(02): 107 – 107. doi:10.1055/a-2525-7687

Publikationsdatum: 14. März 2025 (online)

Autorin Studienreferat: Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig